Richtung Norden bis Shkodra

Der Himmel ist und bleibt trübe, während ich meine Sachen verstaue. Es ist endgültig Zeit, Rosa und ihr kleines B&B zu verlassen, dem Süden Europas den Rücken zuzukehren und mich auf die Heimreise zu begeben. Ein paar wenige Stationen stehen noch aus und so lenke ich Elsa zielgerichtet mit dem Schnabel gen Norden. Heute soll es nach Shkodra gehen. Eine der fünf größten Städte Albaniens, die im Laufe der Jahrtausende eine bunte Geschichte kultureller Zugehörigkeiten erfahren hat.

Ich bin noch nicht lange unterwegs, da muss ich schon das erste Mal anhalten, weil der Kaffee nicht mehr mitfahren möchte. Dazu trägt auch bei, dass ich mal wieder mutig in irgendwelche holprigen Seitenstraßen fahre. In einer Sackgasse halte ich kurz an, ziehe die Jacke aus, erleichtere den Moment und dann der Schreck: auf meiner Jacke sitzt ein kleiner Skorpion! Ich sammle all meinen Mut und schlage ihn mit dem Handschuh herunter, stelle mir kurz ein wenig panisch vor, der hätte mich im Fahren gestochen. Okay...angeblich nicht schlimmer als ein Wespenstich, bei den kleinen Dingern...aber wenn man das zum ersten Mal erlebt, ist es eben doch ein kurzer Schockmoment.

Auf dem Weg nach Shkodra genieße ich noch einmal atemberaubende Blicke im albanischen Bergland und so manch wunderschönes Kurvenstück auf einem zunehmend trockener werdenden Asphalt. Die Regenwolken der vergangenen Tage scheinen sich endlich zu verziehen und Stück für Stück folge ich den sich windenden Straßen über Qafe, Ceruje und Krraba, bevor mir ein fataler Fehler unterläuft und ich mich unversehens auf der Stadtautobahn mitten durch Tirana wiederfinde. Für einen westeuropäischen Verkehrsgewohnheitsmensch, der nun drei Wochen auf kleinsten Straßen in untouristischen Gegenden bzw. durch die Nachsaison recht einsamen Regionen unterwegs war, ist dass der fahrtechnische Kulturschock schlechthin!

Kaum eine bis gar keine Fahrbahnmarkierungen...Verkehrsschilder lassen erkennen, dass es hier wohl fünfspurig sein soll...gefahren wird in vier bis sieben Spuren...Ich definiere die erkennbaren Zahlen auf Verkehrsschildern als Geschwindigkeitsvorgaben und versuche sie gegen mein braves Beamtendenken ankämpfend zu ignorieren, mich dem Verkehrsfluss anzupassen. Kaum wage ich es, mit dem Gewusel mitzuschwimmen, ertönt eine Sirene.

Ja, ich habe gerade ein Polizeiauto überholt. Aber das tuckerte so langsam ganz rechts und alle anderen fahren doch noch schneller als ich! Also kann es nicht mir gelten. Beim Klang der Sirene habe ich automatisch das Gas gedrosselt, jetzt beschleunige ich wieder ein wenig. Zack! Die Sirene erklingt erneut! Mensch, das kann doch nicht wahr sein! Ich bin überzeugt, dass man mich abzocken will, fahre aber dennoch langsamer und das Polizeiauto schließt rechts neben mir auf. Zwei lachende Gesichter sehen mich an, halten diverse Daumen mit einem breitgrinsenden Nicken hoch und geben mir dann Zeichen, dass ich Gas geben soll...darf...was denn nun? Egal, ich lache und winke zurück, gebe erleichtert Gas und denke mir, dass das Leben doch hübsch ist.

Bis ich aus Tirana wieder herausgefunden habe, ich bin natürlich zweimal falsch gefahren, habe ich kein Stück trockenen Stoff mehr an mir. Und nein, das liegt NICHT an den Temperaturen. Dennoch bin ich ein wenig stolz auf mich, dass ich es geschafft habe und bin mir sicher, dass die Pariser Stadtautobahn mich künftig nicht mehr schocken kann. Zufrieden fahre ich Richtung Komansee, den ich jedoch nicht wirklich ansteuern möchte. Aus Berichten anderer Reisender ist zurzeit bekannt, dass es aufgrund einer sehr langen Trockenheit nicht lohnt. Ein Bild des letzten Zipfels, wo sich die letzten Reste Wasser dann doch zu einem See zusammentun, ist natürlich drin.

Schließlich erreiche ich Shkodra, finde mein Hotel, ziehe mich schnell um und mache mich auf den Weg in die Innenstadt. Ich habe Hunger und möchte mich, wie es so oft empfohlen wird, in einem der vielen Restaurants am Straßenrand an der albanischen Küche versuchen. Dank Internet und den Übersetzungshilfen auf den Speisekarten gelingt es mir, ein Tavë Kosi zu bestellen und ich bin begeistert. Ich genieße das ungewohnte Gericht und beobachte dabei die Menschen auf und an der Straße. In den Cafes sitzen fast nur Männer zusammen und ich frage mich, wo die Frauen sind. Doch als ich nach dem Essen durch die Fußgängerzone schlendere, wirkt diese wie ein Abbild westlicher Einkaufsmeilen. Läden in Hochglanz, ein Eiscafe, Blumen, Lampen, Musik und Lachen. Der vom Band erklingende Ruf des Muezzin vom Turm der dauerhaft geschlossenen Moschee wird quasi vollständig ignoriert.

Auf dem Rückweg komme ich jedoch, kaum dass ich die Fußgängerzone verlassen habe, an der anderen Seite Shkodras vorbei. Die Cafes sehen nicht mehr so hochglänzend sauber aus, auf den breiten Gehwegen sitzen die Männerrunden an wackeligen Tischen auf noch wackeligeren Plastikstühlen und trinken Tee, eine pompös wirkende Bushaltestelle zeigt den nicht vorhandenen ÖPNV hier, sie dient als Platz für überquellende und stinkende Müllcontainer.

Ja, die Vorzeigeecken Shkodras sind schön anzusehen, doch die Stadt erreicht mich nicht und ich glaube, das liegt nicht nur an der Jahres- und Tageszeit.


Kommentare:

Hallo Eva, wir haben uns grad dieses WE in Seelbach beim GS-Girls Treffen kennen gelernt und Brigitte und ich haben gleich ein wenig auf deinen Seiten gestöbert. Die sind einfach super und und wenn die Links wieder funktiinieren, lesen wir gerne weiter. Mach weiter so, lebe den Spirit und wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen. Liebe Grüsse, die Schwezer Brigitte und Peter

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Hallo Eva, einen super Blog hast Du da. Mit Begeisterung hab ich alles am Stück gelesen und dabei Deinen Mut bewundert. Ich mache gerade mit knapp 49 meinen A Schein und hoffe, dass ich irgendwann auch den Mut und die Möglichkeit finde solche Reisen zu machen.
Viele liebe Grüße Nicole

Nicole
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Hallo Nicole,
vielen Dank und ich freue mich, dass dir meine Seite gefällt!!!
Ich kann dich nur ermuntern, zu reisen. Auf diese Art würde zu reisen. Es ist unheimlich erfüllen! :-)

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