Der Rothaarsteig lässt grüßen

Manche Menschen legen Wert auf Sonne und blauen Himmel, wenn sie wandern gehen. Ich wandere eher im Herbst und Winter. Nicht, damit ich jeglichen Sonnenbrand vermeide oder weil ich allergisch gegen schönes Wetter bin. Nein. Im Sommer fehlt mir oft durch das Motorradfahren schlicht die Zeit dazu. Und eines habe ich dadurch gelernt: die Schönheiten der späten Jahreszeiten sind definitiv nicht weniger erlebenswert als das Frühjahr und der Sommer.

Es ist Ende Oktober, da gelange ich durch einen Zufall auf ein Stückchen des Rothaarsteigs zwischen Dillenburg und Haiger. Ich bin auf einem Fernweh-Treffen. Also einem Motorrad-Treffen. Da die Temperaturen aber durchwachsen gemeldet sind und ich bereits einen Tag vor den meisten anderen angereist bin, habe ich auch die Wanderschuhe dabei. Nur wohin?

Ein Blick in Google zeigt mir, dass der Eduarsturm gar nicht so weit weg ist. Das Ziel steht fest und ein kleiner Imbiss ist schnell im Rucksack verstaut. Der Weg führt mich durch die Wälder in den Ausläufern des Westerwalds und trotz bedecktem Himmel bleibe ich von oben trocken. Ich liebe es, mit offenen Augen in der Natur unterwegs zu sein und auch wenn der Oktober gerade nicht golden ist, schenkt er mir doch viele kleine Momente der Freude.

Eine eindrucksvolle Pilzgruppe hier, eine Blüte dort, ein kurioser Baum an der nächsten Kurve. Der Weg führt mich überraschend zu einem Rastpunkt namens Taunusblick, doch noch viel schöner ist es am Aussichtspunkt am Kornberg bei Donsbach. Ein wunderschön angelegter und gepflegter Platz auf einer Kuppe. Mit wundervollem Weitblick bis zum Vogelsberg in die eine und zum Taunus in die andere Richtung. Das obligatorische "Fenster" für das Erinnerungsphoto fehlt auch hier nicht, doch beachtenswerter sind für mich die Schaukeln. Ob als Liege oder der Schaukelteller - ich genieße den Moment und fühle mich frei. Wie schön ist doch unser Land. Auch im Herbst. Auch ohne Sonnenschein.

Und als ob die Natur mich belohnen möchte, begleiten zahlreiche späte Blumen meinen Weg bis zum Eduardsturm. Der schmale Turm scheint heute nur für mich geöffnet. Zum Glück. Die enge Treppe nach oben, an mancher Stelle muss sogar ich den Kopf einziehen, lohnt sich. Vor mir breitet sich ein Teil des Rothaargebirges, übergehend in den Westerwald aus. Langsam steige ich die wenigen Stufen wieder hinab und mache mich auf den Rückweg zum Campingplatz. Ein Stück des Rothaarsteiges führt hier durch das enge Tal von Haiger nach Dillenburg. Leider mit einer permanenten Begleitung des Rauschens der Autobahn im Ohr. Doch bald schon bin ich wieder über den nächsten Hügel und genieße wieder die Ruhe.

Nach ca. 12 km Rundweg, mit dem ein oder anderen An- und Abstieg durch den Wald und über Höhen, beende ich mich meine heutige Herbstrunde. Hier muss ich definitiv noch einmal laufen!