Wie geht es dir? – oder: vom eigenen Fühlen und Reden darüber!

Ich bin immer sehr früh an meinem Schreibtisch. Nicht aus Sehnsucht nach dem Arbeitsplatz, aber in der Frühe ist es noch still, das Telefon klingelt noch nicht und man kann langsam in den Tag starten. Es ist die leise Zeit des Gedankensortierens, montags außerdem mit dem Umstieg vom Wochenende in den alltäglichen Wahnsinn.

Heute ist Montag. Ich sitze an meinem Schreibtisch, habe mir einen Tee gekocht und mein Rechner fährt ebenso wie meine Gedanken langsam hoch, da kommt ein Kollege herein und fragt: „Na, wie geht es dir?“ Ich antworte. Heute etwas ausführlicher und schmunzle innerlich, während ich bei meinen Ausführungen sein Gesicht beobachte und er dann sehr schnell ein anderes Thema anschlägt.

Wieso aber fragt man „Wie geht es dir?“, wenn es doch gar nicht interessiert?

Die Frage „Wie geht es dir?“ wird oft gesagt und deutlich weniger oft tatsächlich gefragt. Das lässt sich leicht feststellen, wenn man einmal auf diese Frage ausführlich antwortet. So in ganzen Sätzen. Am besten gleich drei oder vier Sätze oder noch mehr. Dann reagiert das Gegenüber oft ganz schnell mit einem Themenwechsel oder fragt dich oder mich oder wen auch immer künftig nicht mehr „wie es geht“. Denn wer möchte denn schon wirklich in allen Einzelheiten die Probleme anderer Menschen – die Familie und engsten Freunde einmal ausgenommen – so ganz genau hören? Es könnte ja schließlich sein, dass es dem Gegenüber viel schlechter geht als einem Selbst. Wenn dem aber so ist, worüber soll man denn dann weiter reden? Und – sehr viel gefährlicher auch noch – am Ende wird man selbst gefragt und dann kann man vielleicht nicht mithalten? Nicht genauso viele Probleme und ein weniger großes Jammertal bieten?

Sind wir wirklich alle dauernd so? Mit ständig Jammern und Probleme wälzen?

Nein, nicht alle und nicht immer! Doch wir neigen dazu und wenn wir genauer darüber nachdenken, so ist dies auch nicht verwunderlich. Meine ich. Und ich möchte diese These von mir gerne belegen!

Gestern traf ich eine Freundin. Wir hatten einen sehr schönen Tag. Mit dem Motorrad, zu einem schönen Ziel, in schöner Natur und mit einem ganz wunderbaren Biergarten in einem so herrlichen Ambiente. Dort sitzen wir in der Sonne und unterhalten uns. Lachten, haben Spaß, gute Laune. Aber es fällt auch der Satz: „Ich schaue schon gar keine Nachrichten mehr.“ Und die andere antwortet mit „Ich auch nicht“.

Wir sind uns einig, dass wir diese immer schlechten Nachrichten zeitweise nicht mehr hören können. Ja, es passieren ganz schreckliche Dinge auf dieser Welt. Aber nur davon zu berichten ist doch auch nicht die Lösung. Ständig immer nur zu hören, was alles schlimm ist, wie schrecklich es hier und dort ist und wie negativ sich bestimmte Dinge auswirken, das schlägt auf´s Gemüt! Es hilft nicht dabei, selbst noch positiv zu denken. Und automatisch denken wir an die negativen Dinge in unserem Leben, sobald wir nach Neuigkeiten, also nach Nachrichten aus unserem Leben gefragt werden. Wir sind da schon ganz gut konditioniert. Du willst Nachrichten? Schon startet das negative Denken.

Doch wäre es nicht viel schöner, wenn wir mal genau andersherum denken würden? Bei all dem schlechten und schwierigen und problematischem auf der Welt, einmal ganz positiv reagieren?

Dann könnte die Unterhaltung so aussehen:

„Wie geht es dir?“

„Ach, schön dass du fragst. Ich habe letzten etwas ganz Tolles erlebt! Ich war mit einer Freundin am Siegfall. In Schladern im Westerwald. Da musst du unbedingt mal hinfahren! Ein so richtig schöner Biergarten und der Wasserfall ist echt sehenswert und man kann so schön im Schatten unter den Bäumen sitzen. Es geht mir richtig gut, wenn ich daran denke!“

Ich glaube, nach einer solchen Antwort würde der Frager sich nach der Adresse erkundigen und ich hätte sofort durch die schöne Erinnerung wieder in Lächeln. Auf den Lippen und in meinen Gedanken.

Weißt du was? Die Vorstellung gefällt mir gerade richtig gut. Nächstes Mal werde ich es ausprobieren, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht. Du auch?